MICHILS NEWSLETTER
Liebe Berge,
lasst uns verrückt sein!
Holt uns raus, an die frische Luft! Holt uns raus aus dem Trott, aus den Excel-Tabellen, auch aus dieser schrecklichen formellen Zurückhaltung. Wir von Casa Costa wären gerne so: ein bisschen durchgeknallt, ein bisschen ganz auf unsere Weise, ganz egal, was die gesellschaftlichen Standards so empfehlen.
Wir schreiben euch heute, am 1. Juni, während die Städte unten in der Ebene sich auf den Sommer vorbereiten, was bedeutet, dass ihnen alle entfliehen wollen. Hier oben, in der Höhe, liegt noch ein wenig Schnee. Es gibt öfter Gewitter. In den Wäldern riecht es nach Leben. Die Bäche sprudeln munter talwärts und dem Gras können wir gewissermaßen beim Wachsen zusehen. Bald wird es von den Bergbauern gemäht werden. Und wir? Wir öffnen unsere Hotels in den Dolomiten. Zimmer für Zimmer, Gedanke für Gedanke, öffnet sich eine Tür nach der anderen.
Jedes Jahr ist das so, seit beinahe 60 Jahren. Vom allerersten Mal im Jahr 1956 bis heute. Damals war es noch eine ganz andere Welt.
Jedes Jahr fragen wir uns aufs Neue, ob es sich denn lohnt, so präsent zu sein. Oder ob es einfach nur die Freude ist, die uns dazu motiviert.
Wer wird denn wohl bei uns vorbeischauen, fragen wir uns? Ein Reisender oder einer, der zufällig des Weges kommt? Wir wünschen uns ja immer Gäste, die sich an euch berauschen, liebe Berge. Keine lärmenden, eiligen, oberflächlichen Touristen. Ganz egal, ob Mitarbeiter, Gäste oder Lieferanten: Was wir mögen, sind Menschen, die euretwegen innehalten.
Wir fragen uns auch manchmal, welchen Sinn es eigentlich hat, das Gepäck die Treppen hochzuschleppen, das Silber zu polieren, die Servietten zu falten und die Wassertemperatur zu prüfen. Einmal hat uns in die Heizung im Stich gelassen, eiskalt war es. Aber dann haben wir sie wieder flottbekommen.
Doch die Antwort, die wir uns dann geben, ist jedes Jahr dieselbe. Ein JA aus voller Brust und ohne Kompromisse. Es ist eine Bestätigung der Mission, die wir für uns gewählt haben. Die Mission heißt Gastfreundschaft. Sie wird ausgesäht, dann heißt es abwarten. Bis sie geerntet wird, ruhig und ohne Hektik. Und auch wenn Wind und Hagel uns manchmal einen Strich durch die Rechnung machen wollen, fangen wir immer wieder von vorne an. Jedes Jahr. Weil wir verrückt sind. Ehrlich wahr.
Wir sind verrückt, weil wir alles richtig gut machen wollen, auch wenn es gar keiner merkt. Aber für uns selbst ist es wichtig.
Wir sind verrückt, weil wir glauben, dass Zimmer nicht nur eine Kategorie sind, sondern Orte, die unsere Gäste zum Träumen bringen.
Wir sind verrückt, weil Gastfreundschaft für uns nicht nur bedeutet, die Tür zu öffnen, sondern auch, sich die Schürze umzubinden, jeden Tag genauso emsig und begeistert, als wäre es das erste Mal.
Wir sind verrückt, weil wir noch jedem einzelnen Menschen in die Augen sehen und ihn kennenlernen wollen.
Wir sind verrückt, weil wir die Rennradler – wenn sie fix und fertig aus Gröden zurückkommen – begrüßen wie Helden. Sie müssen kein rosa oder gelbes Trikot gewonnen haben oder eine Medaille um den Hals tragen. Es reicht uns, dass sie einfach nur für sich selbst alles gegeben haben.
Wir sind verrückt, weil wir uns jeden Tag aufs Neue dafür entscheiden, in den Bergen zu leben, mit ihren Regeln, ihrer Langsamkeit, ihrer Strenge.
Liebe Berge, wenn ich einen Gast sehen, der in Flipflops auf den Sassongher steigen will, dann mache ich ihm freundlich, aber deutlich klar: Das hier ist nicht der Strand von Miami Beach. Den Bergen nähert man sich mit Respekt und Demut. Und während die ganze Welt von Algorithmen, Automatisierung und Optimierung spricht, behalten wir uns hier unsere emotionale Intelligenz, bleiben wir lebendig und sensibel und menschlich. Manchmal weint bei uns jemand, weil er einen Fehler gemacht hat, denn wir alle machen Fehler. Und dann fangen wir eben wieder von vorne an.
Natürlich sind wir nicht perfekt. Bei der neuen Suite zum Beispiel hat es vier Anläufe gebraucht, bis wir endlich den richtigen Namen für sie hatten. So lange haben wir kein Wort gefunden, der wirklich zu ihr gepasst hätte.
Und auch deshalb ist das hier ein Brief. Kein Angebot, sondern einfach nur ein lieber Gruß, eine Einladung, ein Glückwunsch. Wir wissen nicht, wie der Sommer werden wird – vielleicht heiß, vielleicht kalt. Vielleicht nass und so, dass wir uns auch im Juli unter die Daunendecke kuscheln. Was wir aber wissen, ist, dass wir da sein werden – und das ist doch eine gute Nachricht! In Corvara, in St. Vigil, in der Toskana, und immer mit unserer eleganten Verrücktheit. Mit dem ausgerollten Teppich vor der Hoteltür, mit dem ziehenden schwarzen Tee in der Kanne (und auf gar keinen Fall mit Zitrone, bitte!), mit den Rosenblättern in der Toilette.
Im La Perla haben wir im 4. Stock eine Tür mit Teekannendeckeln dekoriert – einer für jeden servierten Tee, einer für jede erlebte Saison, einer für jede heruntergefallen und zerdepperte Kanne. So ist daraus Kunst entstanden.
Im Ladinia knarzt überall Holz, man geht behutsam übers Parkett, aber strahlt dabei übers ganze Gesicht.
Im Gran Fodà freut sich das Panorama über staunend aufgerissene Augen.
Im La Posta im wunderschönen Bagno Vignoni begleitet uns das leise Gluckern das Thermalwassers liebevoll durch den Tag.
Und wie warten auf Sie: mit umgebundener Schürze, mit aufmerksamem Blick und mit weit geöffneter Tür.
Wenn wir dann im September, wenn alles wieder vorbei ist, sagen können, dass es „eine ganz verrückte Saison“ war, dann heißt das nichts anders, als dass es richtig gut gewesen ist. Denn verrückt zu sein, bedeutet manchmal einfach nur das: die Welt frohen Herzens zu betrachten und alles andere ganz einfach zu vergessen.
Herzlich willkommen! Wir haben geöffnet.
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