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Weißt du, wie viel Sterne stehen?

Und so ist die Lage heute: Von all den Sternen, die sich verflüchtigt haben, ist einer zurückgekehrt. Der Stern über der Stüa.
Und darüber freuen wir uns sehr. Auch die Mitarbeiter freuen sich, allen voran natürlich unser Küchenchef Simone Cantafio und sein Team in der Küche und im Service. Ja, alle sind glücklich und vor lauter kollektiver Freude machen wir quasi Luftsprünge!
Wir wünschen uns, dass dieser Stern die ganze kommende Saison erhellen möge.

Vor langer Zeit einmal gab es auf der Erde, sobald die Sonne untergegangen war, nur noch das Licht des Mondes und das der Sterne. Die Menschen damals, ganz egal wo auf diesem Planeten sie zuhause waren, hoben also den Blick zum Himmel, sahen die Sterne und begannen zu träumen. Zu fantasieren. Sich Dinge vorzustellen. So kam es, dass die alten Griechen das Sternbild des Orion entdeckten, des großen Jägers, während die amerikanischen Ureinwohner in derselben Konstellation eine Hand sahen, die das Donnervolk einem Indianerhäuptling zur Strafe für seinen Geiz abgerissen hatten. Und die Aborigines aus Australien ein Kanu mit drei Fischern darin. Aber so ist es nun einmal: Seit wir auf Erden sind, lassen wir uns von den Sternen in eine andere Welt entführen. Sterne lassen uns an Weihnachten denken, aber auch an das Schicksal, an die Größe des Universums, an alles mögliche Andere. Sterne. In unseren Träumen stehen sie für frisch geschöpfte Hoffnung, für das Vertrauen in unser Schicksal, für die Möglichkeit, dass sich unsere Wünsche erfüllen könnten. Tja, die Wünsche … wenn eine Sternschnuppe vom Himmel fällt, heißt es rasch einen zu formulieren. Man müsse Chaos in sich haben, sagte Nietzsche, um einen tanzenden Stern zu gebären. Wen würden sie nicht faszinieren, diese Himmelskörper?

Der berühmte, rote Gastroführer Michelin verteilt keine Gläser oder Hauben, er verteilt Sterne. Restaurants, die einen Stern besitzen, dürfen sich zu den besten Adressen zählen. Es gibt Köchinnen und Köche, die ihr ganzes Leben davon träumen, mit einem Stern ausgezeichnet zu werden und dennoch nie einen erhalten. Es gibt auch solche, die sich das Leben nehmen, wenn sie einen Stern verlieren. Natürlich kann man sagen: Ein Stern hat nichts zu bedeuten. Was zählt, ist dass es dem Gast gefällt. Das stimmt schon. Wahr ist aber auch, dass der Gewinn oder Verlust eines Sterns in unserer Branche mit großen Emotionen einhergeht. Und was auch immer Internet und Social Media heute bedeuten mögen: Ganz schön viele Gäste reisen immer noch mit dem roten Büchlein unter dem Arm durch die Welt. Als Kompass und Wegweiser.

In der Stüa de Michil hatten wir bereits einmal einen Stern. Wir hatten ihn viele Jahre lang, und auch die tüchtigen Kolleginnen und Kollegen vom Restaurant Siriola in San Cassiano hatten Sterne. Doch dann verschwanden sie, lösten sich in Nichts auf, gingen zusammen mit den Küchenchefs. In Alta Badia leuchteten daraufhin nurmehr die Sterne über dem Restaurant Hubertus mit seiner absoluten Spitzenküche, seinem makellosen Service, seiner funkelnden Kreativität – drei Sterne eben. Eine Region, die sich wirklich entwickeln und nicht nur zahlenmäßig wachsen will, muss aber in Symbiose mit den Menschen leben, die dort zuhause sind. Sie braucht Verbindungen und wechselseitige Einflüsse. Sterne zu verlieren bedeutet auch, Beziehungen zu verlieren. Die viele Sterne, die über unseren Dörfern glänzten, haben auch unsere Berghütten beeinflusst, die dort oben auf den Dolomitengipfeln sitzen. Es kann in keiner Weise geleugnet werden, dass die kulinarische Hochkultur unten im Tal auch alle anderen dazu inspiriert hat, sich ins Zeug zu legen, die Weinkeller zu erweitern, eine echte Begeisterung für die Kultur des Essens und des Trinkens zu entwickeln. Und so ist die Lage heute: Von all den Sternen, die sich verflüchtigt haben, ist einer zurückgekehrt. Der Stern über der Stüa. Und darüber freuen wir uns sehr. Auch die Mitarbeiter freuen sich, allen voran natürlich unser Küchenchef Simone Cantafio und sein Team in der Küche und im Service. Ja, alle sind glücklich und vor lauter kollektiver Freude machen wir quasi Luftsprünge! Wir wünschen uns, dass dieser Stern die ganze kommende Saison erhellen möge.

So ein Stern ist nicht nur fürs Renommee wichtig. Er ist vor allem ein Symbol und ein Ansporn. Er motiviert und treibt an, er lässt dich all die Mühen und die Plackerei vergessen. Groß ist unsere Freude darüber, dass Norbert Niederkofler seine drei Sterne behalten hat; glücklich macht uns, dass jetzt auch über Wolkenstein ein Stern funkelt. Die verschiedenen Sterne über unseren Dolomitentälern ergeben jetzt ein richtiges Sternbild, motivieren uns zu gesundem Wettbewerb, aber auch zur Auseinandersetzung miteinander, zum Dialog, zum Austausch darüber, wo die Reise hingehen soll.

An eines möchte ich an dieser Stelle unbedingt erinnern: Als wir vor ein paar Jahren unseren Stern verloren haben, haben Sie, liebe Gäste, uns trotzdem die Treue gehalten und sind weiterhin gekommen. Giulan dafür, danke. Das ist vielleicht überhaupt unsere größte Motivation: zu wissen, dass wir auch ohne offizielle Anerkennungen feine Dinge herstellen können. Das gilt für uns genauso wie für alle anderen, die diese Arbeit lieben so wie wir. Und wir lieben sie sehr.

Es gibt viele Sterne, Millionen über Millionen, und wie viele wirklich an dem blauen Himmelszelt stehen, wie es im alten Kinderlied heißt, weiß niemand. Ich blicke zu ihnen hoch an diesem schönen Abend in Castiglione d’Orcia in der Toskana. Ich denke an die Unermesslichkeit des Himmels, und dass es da nichts zu verstehen gibt, wie es in dem wunderschönen Lied von Francesco De Gregori heißt. Non c’è niente da capire. Nichts zu verstehen, aber vieles zu bewundern und zu kontemplieren an dieser blauen Leinwand, auf die jede Zivilisation ihr eigenes Epos gemalt hat.

Michil Costa